Die Fliegerei begeistert Karl Waldeck noch mit 90
Luftsportclub Kelkheim will verstärkt junge Leute für das Modellfliegen gewinnen
Erfahrung beim Luftsportclub Kelkheim: Karl Waldeck lässt noch mit 90 die Flugzeuge fliegen, Pressewart Thomas Petri hilft ihm beim Start seines Segelflugzeugs. FOTOs: wein/privat
Münster/Königstein - Vorstandsmitglied Thomas Petri ist in diesem Moment nur der "Hiwi". Denn die Fernsteuerung hält Karl Waldeck in der Hand. Auf ein kurzes Kommando wirft Petri das Segelfieger-Modell mit einer Spannweite von gut 3,50 Metern schräg in die Höhe, während sein Kompagnon das Flugzeug mit Motorhilfe hoch über die Wiese des Luftsport-Geländes in Münster bugsiert. Anschließend dreht Waldeck ohne Motor seine Kreise nur mit der Kraft der Thermik, zeigt Schwünge in alle Richtungen, gleitet mit dem Wind innerhalb der erlaubten Zone - und landet am Ende sanft im Gras.
Applaus für den Senior
Der Applaus von einigen Senioren, die auf ihren Stühlen den Aktivitäten beim Luftsportclub Kelkheim zuschauen, ist Waldeck sicher. Dabei ist der Pilot noch mal ein gutes Stück älter als sie: Das Mitglied des Münsterer Vereins hat vor wenigen Tagen den 90. Geburtstag gefeiert. Eine reife Leistung, in diesem Alter die schwierige Auge-Hand-Koordination beim Modellfliegen so exakt hinzubekommen, finden Jugend- und Pressewart Petri, Vorsitzender Arne Knop und Schriftführer Andreas Voßberg. Sie schauen an diesem Mittag dem Königsteiner nicht nur bei seinem Segelflug zu, sie haben ihm beim Geburtstagsbesuch auch zum Ehrenmitglied ernannt. Der erste Flieger im Club mit dieser Auszeichnung, der nicht im Vorstand war, wie Knop hervorhebt.
Waldeck hat das Handwerk allerdings im wahrsten Sinne des Wortes von der Pike auf gelernt. Denn früher sei vor dem Fliegen noch intensiver als heute der Modellbau gekommen - und das war für den gelernten Schreiner aus dem Vogelsberg die richtige Freizeitbeschäftigung. Dort seien die Piloten rund um den Bilstein im Segelfliegen ausgebildet worden, erinnert sich Waldeck. Mit Schulfreunden sei er "begeistert gewesen von der Fliegerei".
Die Buben halfen anfangs, die großen "Albatrosse" der Lüfte loszuziehen. Mit einem Fluglehrer habe er sich gut verstanden, der habe ihn auch in den Modellbau eingeführt, berichtet der 90-Jährige. Allerdings gab es damals noch keine Fernsteuerung, so dass die Flieger in die Thermik rein kamen - "und weg waren sie", kommentiert Waldeck den Freiflug. Manche seiner Exemplare hatten auch Namen - den "Ursinus" habe er mal in einem Baum gelandet, "dann war er kaputt".
Seit fast 40 Jahren Mitglied im Verein
Beruflich arbeitete Waldeck lange bei der Post. Über einen Amtsvorsteher in Königstein kam er in den Taunus. Doch der Modellflug ließ ihn hier nicht los. Im benachbarten Ruppertshain schloss er sich dem Luftsportclub an. Allerdings sei dort irgendwann die Genehmigung zum Fliegen nicht mehr erteilt worden. So entschloss sich Waldeck, den Münsterern beizutreten.
Der Club dort wurde 1975 gegründet, der Oldie ist seit fast 40 Jahren Mitglied. Was er sich noch wünscht? "Mehr geht ja fast gar nicht", sagt er und ist den Kollegen sehr dankbar. Ohne seine "Flugkameraden" hätte er längst aufgehört. Vor allem Joachim Bodenhausen habe ihn motiviert und mit seinem Motorschlepper seine Segelflieger in die Lüfte gebracht.
Der heutige Vorstand kann nur den Hut ziehen vor dem agilen Senior, der noch einige nur wenig jüngere Mitstreiter hat. Hingegen würde sich der Luftsportclub schon mehr Nachwuchs erhoffen. 109 Mitglieder sind es aktuell. Für jüngere Flieger seien sie sehr offen, fast täglich sei ab 13 Uhr bei gutem Wetter jemand am Flugplatz, betont Petri. Dann könnte sofort ein Schüler-Lehrer-Flug organisiert werden. Der Fachmann bringt den Flieger in die Höhe, der Neuling kann dann dort den Kurs halten. "Nicht, dass der Flieger mit einem fliegt", weiß Petri. Starts und Landungen kämen erst später hinzu.
Im Juni bietet der Club normalerweise ein offizielles Schnupperfliegen an - hier warten sie noch auf die dann geltenden Corona-Bedingungen. Das Flugplatzfest am 4. und 5. September haben die Mitglieder aber schon fest eingeplant. Auch sie freuen sich über die Rückkehr in die Normalität. Im ersten Lockdown sei das Fliegen komplett untersagt worden, später sei es bis zwei, dann in Sektoren bis zu zehn Personen möglich gewesen, sagt Knop. Er lobt aber die Stadt und den Main-Taunus-Kreis, die stets aktuelle Informationen und auch Weiterbildungen angeboten haben.
Ganz neu ist das Fliegen mit Virtual Reality, das Petri mit einer Drohne und einer Brille demonstriert. So wähnt sich der Pilot am Boden über eine Kamera hoch oben in der Luft. Der Jugendwart hofft, mit solchen Angeboten vielleicht mal ein paar Jugendliche vom heimischen Computer zu locken. Nachwuchs gibt es immerhin bei den Wettbewerbsfliegern mit Kevin Liskann und Kai Succolowsky.
Genaue Landung dank moderner Technik
Als Kevin an diesem Mittag mit dem Hubschrauber waghalsige Kunststücke vorführt, staunt auch ein alter Hase wie Karl Waldeck noch. Während seine Freiflieger damals irgendwo in der Ferne landeten, kann hier mit modernster Technik der Helikopter auf den Zentimeter genau kontrolliert werden.
Kontakt und Anfahrt
Information zum Luftsportclub gibt es unter www.klc-ev.de . Die Anfahrt ist über das Gewerbegebiet Münster, unterhalb der Firma Nexen Tire rechts vom Zeilsheimer Weg ins Feld, möglich.